Bayreuth, den 8.10.17 Markus 4,30-32

Liebe Gemeinde! 

Es fängt alles klein an. Unser Weltall war vor 14 Milliarden Jahren kleiner als ein Stecknadelkopf. Durch den so genannten "Urknall" dehnte es sich mit rasanter Geschwindigkeit aus, bis es heute seine riesige Größe erreichte. Jedes Menschsein fängt klein an. Aus einer winzig kleinen befruchteten Eizelle wächst innerhalb von neun Monaten im Mutterleib ein Baby heran, das nach seiner Geburt noch einmal das Vielfache an Größe und Gewicht zulegt, bis es ein erwachsener Mensch wird.

Auch das Reich Gottes, so Jesus, fängt klein an. Was ist überhaupt dieses Reich Gottes? Es ist überall da, wo Gott das Sagen hat. Es beginnt also nicht erst nach dem Tode, wenn die Gläubigen in den Himmel kommen. Sondern es beginnt da, wo Menschen mit Gott leben wollen, wo sie ihren Willen seinem Willen unterstellen.

Dieses Reich Gottes fing auch ganz klein an. Vor 2000 Jahren sagte eine junge Frau "Ja" zu der Zumutung, ohne Zutun eines Mannes den Sohn Gottes zur Welt zu bringen. In der Person von Jesus wurde dieses Reich Gottes Mensch. Mit ihm begann dieses Reich Gottes zunächst auch ganz unscheinbar. Eine Geburt in einem Viehstall, armseliger geht es gar nicht. Ein unbedeutender Wanderprediger, der wie ein Verbrecher am Kreuz endet, das sieht eher wie ein Ende als ein Anfang aus. Und doch war das Leben und der Tod dieses Mannes der Beginn einer neuen Welt. Jesus ist ja auferstanden. Er lebt und ist in den letzten 2000 Jahren in das Leben von Millionen von Menschen getreten. Sie haben Vergebung ihrer Sünden bekommen. Jesus lebt durch den Geist Gottes in ihnen. Überall auf der ganzen Welt sind Spuren des Reiches Gottes zu entdecken.

Mit dem Reich Gottes verhält es sich eben wie mit dem Wachstum eines Senfkornes. Es ist unscheinbar. Und doch wächst es zu dem größten Gartengewächs heran. Am See Genezareth erreicht die Senfstaude eine Größe von zwei ein halb bis drei Meter. Ein kleiner Vogel kann einen Senfsamen wegpicken. Aber auf einer ausgewachsenen Senfstaude kann er sich niederlassen und sich ausruhen.

Im Reich Gottes fängt alles ganz unscheinbar an. Viele unter uns kennen die Ursprünge der "Gruppe Luther" hier in Bayreuth. Es fing mit zwei Mädchen an, die Pfarrer Preiser in seine Bibelstunde ins Löhehaus einlud. Heute, so sagt man, soll die "Gruppe Luther" die größte regionale Jugendarbeit in Bayern sein.

Denken wir auch an die Geschichte unserer Gemeinde. Sie fing ja auch unscheinbar an. Es begann damit, dass vor 45 Jahren ein junger Pfarrer namens Walter Hager nach Bayreuth kam und für den Stadtteil Neue Heimat als Sprengelpfarrer der Stadtkirche zuständig war. Eine Kirche vor Ort gab es noch nicht. Die Gottesdienstgemeinde traf sich unter anderem in der Aula des Markgräfin-Wilhelmine-Gymnasiums. Dann war für die Gegend hier ein Kirchlein geplant, in dem alle paar Wochen ein Gottesdienst gehalten werden sollte. Doch da spielte Pfarrer Hager nicht mit. Dank seines Einsatzes wurde die Kirche doch größer gebaut und die Gottesdienste fanden jeden Sonntag statt. Es entstand eine selbständige Gemeinde. Es sammelten sich in den Gottesdiensten und auch unter der Woche viele Menschen, die das Evangelium hören wollten. Vor ziemlich genau 20 Jahren kam ich als Nachfolger von Pfarrer Hager. Die ersten Jahre waren schwer und manchmal auch frustrierend.

Einmal machte ich eine Besuchsaktion. Ich wollte die Gruppe besuchen, die im Gemeindeleben kaum vorkam, das waren die etwa 30 bis 50jährigen. Ich habe ein nettes Briefchen für diese Personengruppe verfasst und es mehreren Leuten gezeigt, ob man es so wegschicken kann und habe mich zu einer bestimmten Zeit angekündigt. Ergebnis: Bei den ersten 10 Versuchen bin ich neunmal nur bis zum Klingelknopf gekommen. Also neun haben überhaupt nicht aufgemacht. Wahrscheinlich waren sie froh, dass ich sie schriftlich vor meinen Besuch gewarnt hatte. Ich habe trotzdem weitergemacht: Bei etwa 45 Prozent kam ein Kontakt zustande, bei 45 keiner, 10 Prozent waren schon wieder verzogen.

Nach dieser Aktion hätte ich es nicht für möglich gehalten, was bis heute seitdem alles entstanden ist. Vor 11 Jahren wurde der Kirchenanbau eingeweiht. Seitdem geht es hier in den Gottesdiensten nicht mehr ganz so beengt zu. Eine Besonderheit ist geblieben. Ich meine, es ist ein Alleinstellungsmerkmal hier in Bayreuth: Bei längeren Gottesdiensten muss gelüftet werden, um für Frischluft zu sorgen. Im gleichen Jahr 2006 begann die Arbeit unseres kids-Treffs. 2014 wurde der Abenteuerspielplatz "Kiwi" eingeweiht und im Jahr drauf unser Jugendzentrum "Flux". All das war nicht so von Anfang gewollt und geplant. Wir hatten kein Gemeindeaufbaukonzept, nach dem wir vorgegangen sind. Vieles ergab sich so. Es waren Fügungen Gottes.

In einem der Bücher von Pfarrer Rick Warren habe ich ein eindrucksvolles Bild für das, was bei uns geschah, gelesen. Warren hat in Südkalifornien eine große Gemeinde gegründet. Er sagte: Man kann nicht einfach sich vornehmen, eine Gemeinde zu bauen und dann versuchen, den Plan umzusetzen. Vielmehr ist es wie beim Surfen. - Südkalifornien ist ja das Traumland für viele Surfer. - Man kann die Wellen nicht machen. Man kann nur auf sie warten. Aber wenn sie da sind, dann muss man die Gelegenheit nutzen, um mit dem Surfbrett auf ihnen zu reiten.

So war es auch hier bei uns: Wir haben die Wellen nicht gemacht, aber sie genutzt. Ein Architekt hat sich angeboten, einen Entwurf für einen Anbau zu machen, Mitarbeiter für unsere offene Kinder- und Jugendarbeit haben sich angeboten, die Sparkasse hat uns ihre ehemalige Filiale zum Kauf angeboten und die Stadt Bayreuth das Grundstück oberhalb der Schwabenstraße für einen Abenteuerspielplatz. Und wir haben diese Angebote nur angenommen, wir sind auf der Welle gesurft. "Nur" ist eigentlich falsch ausgedrückt. Natürlich gehörte auch Mut dazu, das zu tun und nicht zu kneifen.

Die Kirche ist kein Unternehmen, das sich bestimmte Wachstumsziele setzt und versucht, sie dann umzusetzen. Wenn sie das tun würde, würde sie einem Machbarkeitswahn verfallen. Das Entscheidende muss Gott tun. Er gibt Verheißungen. Er legt den Samen in den Boden. Er schenkt Wachstum und Gedeihen. Das dürfen wir nicht vergessen. Sonst bleiben wir nicht gelassen und verfallen in Hektik und Stress.

Diese Gelassenheit muss ein Martin Luther gehabt haben. Sonst hätte er nicht den bekannten Satz gesagt: "Während ich mein Tröpflein Wittenbergisch Bier trinke, läuft das Evangelium." Das sind wohl die schönsten Worte, die ich jemals über das Bier gehört habe. Wir können Gemeinde nicht bauen. Wir können nicht Menschen zum Glauben bringen. Das muss Gott tun. Wir können oft nur staunend danebenstehen und zuschauen, wie Gott das tut und nicht rotieren, bis wir nicht mehr können. Wir dürfen uns auch Pausen gönnen.

Das soll kein Aufruf zur Faulheit sein. Wenn Gott alles tut, heißt das nicht, das wir gar nichts tun sollen. Unsere Aufgabe ist es schon, uns mit unseren Gaben einzubringen, mit Singen, Musizieren, Verkündigen, Einladen, Organisieren und vor allen Dingen Beten. Aber eben alles in dem Wissen, dass wir Gott nicht zwingen können. Er tut letzten Endes das Entscheidende. Er gießt den Heiligen Geist aus. Er schenkt Bekehrungen, ja Erweckungen. Das traue ich ihm auch zu. Ich meine, hier in unserer Gemeinde kann noch Größeres entstehen. Die äußeren Bedingungen sind dafür geschaffen. Jetzt muss Gott noch tiefer an den Herzen wirken, - und bei uns damit anfangen.

Wann dies geschieht, wollen wir ihm überlassen. Wir wollen flehentlich beten, damit dies geschieht. Aber den Zeitpunkt, wann Gemeinde und damit auch Reich Gottes gebaut wird, können wir ihm nicht vorschreiben.

In der Natur wächst ja auch nicht alles über Nacht. Sondern da braucht es Geduld. Selbst ein Senfkorn braucht ein paar Monate, bis es zu einem relativ großen Baum auswächst. Gott lässt sich oft Zeit, bis das geschieht, was er will. Deshalb brauchen wir Geduld. An der fehlt es uns leider oft. Das gilt auch für unsere Arbeit in der Gemeinde.

Wir sind ja Kinder unserer Zeit, einer schnelllebigen Zeit. Alles muss sofort geschehen. Überall sollen Wartezeiten vermieden werden. Viele Firmen werben ja damit: Heute bestellt, morgen geliefert. Ist natürlich für den Kunden eine fantastische Sache.

Aber in geistlichen Dingen funktioniert das nicht so. Hier gilt immer noch das Gesetz des Wachstums. Wenn etwas wachsen soll, braucht das Zeit. Und je größer etwas ist, was Gott plant, desto länger dauert es. Pilze schießen über Nacht aus dem Boden. Eine Eiche braucht da schon länger, bis sie ein großer Baum ist. Dafür lebt sie auch länger. In Mecklenburg haben wir Eichen bewundert, die 1000 Jahre und älter waren.

Auch die persönliche Glaubensentwicklung eines Menschen dauert oft. Plötzliche Bekehrungen sind wohl eher die Ausnahme. Das Greifswalder Institut für Gemeindeentwicklung und Evangelisation hat mal eine Studie gemacht. Thema war der Glaubensweg eines Erwachsenen in Deutschland. Wie lange dauert es vom Erstkontakt mit einem Christen bis zu einer bewussten Hinwendung zum Glauben? Antwort: Im Durchschnitt 10 Jahre! Gott lässt einem Menschen auf dem Weg zum Glauben offenbar viel Zeit. Daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen.

Ich denke an Monika, die Mutter des großen Kirchenvaters Augustin. Sie konnte geduldig warten und kann uns durch ihr Warten ein Vorbild sein. Sie war ja engagierte Christin. Und es war ihr ein Herzensanliegen, dass ihr Sohn auch den Weg des Glaubens geht. Doch ihr Glaube wurde auf eine harte Geduldsprobe gestellt. Denn Augustin trieb sich in jungen Jahren überall herum. Er genoss ein ausschweifendes Leben und wurde bereits mit 16 Jahren Vater eines Sohnes. Aber Monika hörte nicht auf, für ihn zu beten und durfte dann nach vielen Jahren erleben, dass ihr Sohn mit 32 Jahren Christ wurde. In seiner Autobiographie, den "Konfessionen", hat Augustin später seiner geduldig hoffenden Mutter ein Denkmal gesetzt.

Geduld ist nicht Teilnahmslosigkeit, nicht Ergebenheit in ein unabänderliches Schicksal. Sondern Geduld bedeutet tätiges Warten, leidenschaftliches Beten, bedeutet, damit zu rechnen, dass Gottes Reich hereinbricht, aber immer in dem Wissen: Gott muss eingreifen, er muss Herzen öffnen und verändern.

Mit dieser Geduld wollen wir für uns selber Großes erwarten, nicht Kleines. Er wird in unserem Leben alles neu machen, alles was seinem Willen noch widerspricht. Denn er hat es in der Offenbarung von Johannes versprochen: "Siehe, ich mache alles neu!" Das dürfen wir ihm für uns selber zutrauen -und auch für andere, für die wir vielleicht schon seit langer Zeit beten, dass sie ihr Leben Jesus öffnen. Und wir dürfen, wie gesagt, für unsere Gemeinde noch Größeres erwarten.

Vor 2000 Jahren fing das Reich Gottes unscheinbar an, als Jesus geboren wurde. Seitdem ist es größer geworden, wie ein Senfkorn zu einem großem Baum herangewachsen. Unzählige Menschen haben der Liebe Gottes in seinem Wort vertraut und wollten ihr Leben von Jesus bestimmen lassen, auch hier in unserer Gemeinde. Ich bin froh und dankbar, dass auch hier in der Nikodemuskirchengemeinde ein Stück Reich Gottes gewachsen ist. Es hat schon angefangen und es wird noch größer werden. Gott will es tun und wir wollen in gespannter Geduld darauf warten, was er noch tun will.

Gott macht Wellen, Wellen der Offenheit für den Glauben an Jesus. Wenn wir eine entdecken, dann wollen wir keine passiven Zuschauer sein sondern Surfer, die auf diesen Wellen reiten, solange es geht, Menschen, die sich mit ihren von Gott gegebenen Gaben dafür einsetzen, dass dieses Reich Gottes sich noch mehr ausbreitet, dass noch mehr diesen wunderbaren Glauben an Jesus entdecken.

Dazu will Gott uns alle gebrauchen.

Amen