Bayreuth, den 3.12.17 Offenbarung 5, 1-14

Liebe Gemeinde! 

Mit der Adventszeit beginnt wieder die Zeit der Lichter am Adventskranz, die Zeit der Leckereien wie Plätzchen oder Stollen.

Aber eigentlich ist sie ja die Zeit des Wartens. Manches bleibt verschlossen, bis die Zeit kommt, in der es geöffnet werden kann. Die Geschenke sind vielleicht schon gekauft aber noch versteckt. Erst an Weihnachten werden sie überreicht. Die Türchen am Adventskalender sind noch zu. Erst im Laufe des Advent werden sie geöffnet. In meiner Kindheit waren es Bildchen, die man zu sehen bekam. Heute sind es meist Süßigkeiten.

Auch die Worte unseres heutigen Predigttextes sind voller Geheimnisse. Beim Zuhören werden vielleicht manche unter Ihnen denken: Was soll das nun? Und was haben diese Verse mit Advent zu tun? Es sind bildhafte Worte. Sie beschreiben eine für uns unsichtbare Welt. Der Jünger Johannes hatte Einblicke in diese Welt. Im fünften Kapitel der Offenbarung, Vers 1 bis 14 beschreibt er sie. Wir werden vor den Thron Gottes geführt. Es ist die Schaltzentrale des Himmels - und auch der Weltgeschichte. Hören wir mal rein.

(Offenbarung 5,1-14)

Hier in unserem Predigttext ist von einem Buch mit sieben Siegeln die Rede. In Anlehnung an diesen Ausdruck reden wir heute noch von einem "Buch mit sieben Siegeln". Wir meinen damit etwas absolut Rätselhaftes. Etwas, dessen Inhalt sich uns nicht erschließt. Als Kind ging es mir mit der Tageszeitung so. Neugierig war ich. Und ich las alles, was mir zwischen die Finger kam, auch die Tageszeitung. Aber ich verstand nichts, vor allen Dingen, wenn da etwas von Politik die Rede war. Was ich verstand und mit Vergnügen las, waren auf der Kinderseite die Abenteuer von Petzi, Pelle und Pingo. Die Drei waren ein Bär, ein Pelikan und ein Pinguin.

Heute als Erwachsener ist das natürlich anders. Ich lese immer noch gerne die Tageszeitung, auch die Ereignisse der Tagespolitik. Vieles, was ich als Kind nicht begriff, verstehe ich nun. Aber auch als Erwachsener bleiben für mich die großen Rätsel: Warum ist dieses und jenes so geschehen und nicht anders? Vor allen Dingen sind es die schlimmen Ereignisse, die mich so fragen lassen.

Es wird Ihnen und Euch sicher ähnlich ergehen. Vor allen Dingen wenn es das Leid von Kindern betrifft, Krankheit, Misshandlung, Missbrauch oder in Kriegen, dann frage ich mich schon manchmal: Warum müssen diese Kinder so Schreckliches durchmachen?

Auch die Bibel gibt uns auf diese Fragen keine Antwort. Sie sagt uns nur: Es gibt eben das Böse, das sich in allen Gebieten auswirkt und manchmal austobt. Es gibt das Böse in der Weltgeschichte und auch in unserem Leben. Doch diese Macht ist beschränkt. Sie wird einmal vollkommen gebrochen. Sie hat einmal ein Ende.

Und damit sind wir wieder bei diesem rätselhaften Buch, dem Buch mit den sieben Siegeln. Was ist das nur für ein Buch? Es ist der Plan Gottes mit unserer Welt. Er ist geheimnisvoll, verschlossen. Niemand kennt ihn. Und vor allen Dingen: Keiner darf ihn ausführen. Das ist mit dem Brechen der Siegel gemeint. Denn ein gewöhnlicher Sterblicher könnte diesen Plan nur missbrauchen. Auch wenn er es gut meint.

Stellen wir uns vor: Ein Mensch hätte die Macht, die Welt so lenken, wie er will. Er wäre das Chaos, weil er eben nie die Folgen seiner Entscheidung überblicken kann.

In einer Filmkomödie wird dieses Durcheinander auf amüsante Weise geschildert. Da wünscht sich der Journalist Bruce Nolan, dass er selber an der Stelle Gottes sein Leben regeln könnte. Der Wunsch wird ihm erfüllt. Er erfüllt sich sämtliche persönliche Wünsche. Das führt allerdings zu schlimmen Nebenfolgen. Bruce erkennt, dass er unmöglich Gott spielen kann. Dies würde zu einer Katastrophe führen.

Zurück zu unserem Predigttext: Also niemand kann den Plan Gottes ausfüllen. Man sucht im nahen Umfeld um den Thron Gottes und findet niemand. Alle lebenden Menschen werden untersucht. Doch keiner ist würdig. Schließlich sucht man bei den Verstorbenen, Heiligen und Vorbildern. Keiner kann das Buch öffnen, um hineinzusehen.

Da weint Johannes. Niemand kann den Plan Gottes ausfüllen. Aber da hört er eine Stimme: Es gibt jemand, der das Buch öffnen kann. Es ist der "Löwe aus dem Stamm Juda". Gemeint ist Jesus. Da sieht Johannes auf einmal ihn, Jesus. Er steht neben dem Thron Gottes.

Eigentlich merkwürdig, dass Johannes zunächst verzweifelt weint. Er kennt doch Jesus. Er weiß doch, dass er der ist, der alle Macht im Himmel und auf Erden hat. Aber doch typisch menschlich. Jeder Christ kennt dies: Er kennt und liebt Jesus. Schon oft hat er ihm seine Schuld vergeben. Schon oft hat er auf Gebete hin ihm in der Not geholfen. Aber bei der nächsten größeren Schwierigkeit kann dieses Wissen wie weggeblasen sein. Da brauchen wir wieder, dass Gott uns durch sein Wort zuspricht und neuen Mut macht: Schau nicht auf die Not. Schau nicht auf die Schwierigkeiten. Schau nicht auf dein Versagen. Schau auf Jesus. Er hat dich nicht verlassen. Er ist doch da. Er ist nicht weit weg. Er steht dir bei, hilft und vergibt dir.

Hier in dem Text aus der Offenbarung wird Jesus in zwei Bildern beschrieben. Zum einen als "Löwe aus dem Stamm Juda". Der Löwe ist das Symbol eines der zwölf Stämme Israels. Es ist der Stamm, in dem Jesus seine menschlichen Wurzeln hat. Der Stamm Juda. Der Löwe ist der König der Tiere. Er ist das Symbol für unbezwingbare Stärke, für unbändige Kraft. Niemand kann einem Löwen widerstehen. Er besiegt im Tierreich alle seine Feinde.

Die tiefsinnigen Narniaerzählungen von C.S. Lewis sind durch die Verfilmungen sehr bekannt geworden. Eine Hauptrolle spielt in diesen Erzählungen der Löwe Aslan. Er ist ein Symbol für den Erlöser Jesus Christus. Aslan ist der König der Phantasiewelt Narnia. Er ist tapfer und stark, kein zahmer Löwe aber ein guter. Auch er stirbt wie Jesus stellvertretend für einen anderen, erlebt eine Auferstehung und siegt am Ende über das Böse.

Dieser Jesus, der Löwe von Juda, ist allein würdig, den Plan Gottes für die Zukunft der Welt zu erfüllen. Warum er allein? Weil er allein die Mächte der Sünde, des Todes und des Teufels besiegt hat, nicht mit Macht und Gewalt sondern mit seiner Liebe, mit seinem stellvertretenden Tod am Kreuz.

Wer die Offenbarung von Johannes gelesen hat, der weiß, wie dieser Plan aussieht. Es geht durch viele Katastrophen der Menschheitsgeschichte durch. Es werden viele schlimme Dinge passieren und werden noch passieren. Und Gott ist selbst für diese schlimmen Dinge verantwortlich. Wie passt das mit seiner Liebe zusammen, kann man sich fragen? Die Liebe Gottes ist eben keine schwache Liebe sondern eine starke, kämpferische Liebe. Sie setzt sich für das Gute ein und beseitigt das Böse. Und das geht nur mit Kampf. Deshalb stehen in der Offenbarung oft so schreckliche Ereignisse. Diese Gerichte Gottes, wie sie genannt werden, müssen so kommen, damit am Ende die Liebe Gottes siegt, damit am Ende aller Zeiten alles gut wird.

Die Offenbarung will ein Trostbuch sein. Es will die trösten, die auf der Seite Jesu stehen. Sie stehen auf der Seite des Siegers. "Weine nicht!" muss uns wie dem Johannes auch immer wieder zugerufen werden. Jesus ist Sieger. Er ist Sieger über das Finstere dieser Welt und das Finstere auch in unserem Leben. Das halte immer wieder fest. Denn er ist stark wie ein Löwe, wie Aslan in den "Chroniken von Narnia", nicht zahm aber gut. Aber er ist auch den Weg eines Lammes gegangen. In unendlicher, unbegreiflicher Liebe hat er sich für die Menschen hingegeben.

Löwe und Lamm. Eine merkwürdige Kombination. Das sind ja zwei Tiere, wie sie gegensätzlicher nicht sein können. Aber Jesus ist Beides: der Löwe aus dem Stamm Juda und das Lamm Gottes, das die Sünden der Welt trägt.

Er trägt auch unsere Sünden, trägt auch alle Schmerzen, Sorgen, Ängste und Nöte. Deshalb kam er auch in diese Welt: um zu tragen. In dem Adventslied von Paul Gerhardt "Wie soll ich dich empfangen" heißt es in der fünften Strophe. "Nichts, nichts hat dich getrieben / zu mir vom Himmelszelt / als das geliebte Lieben / damit du alle Welt / in ihren tausend Plagen / und großen Jammerlast, / die kein Mund kann aussagen, / so fest umfangen hast." Diese "tausend Plagen" oder Millionen Plagen, von denen Paul Gerhardt spricht, trägt Jesus, auch deine Plagen, auch die, unter denen du gerade jetzt leidest.

Er macht alles gut. Einmal werden ihm alle bösen Mächte zu Füßen liegen, auch deines Lebens.

Dieses Lamm, von dem Johannes redet, hat sieben Hörner und sieben Augen. Die Hörner sind ein Zeichen der Stärke. Jesus wird den Willen Gottes durchsetzen. Niemand kann ihn daran hindern. Er ist der, der schon vom Himmel herab regiert. Denn er sitzt, wie es im Glaubensbekenntnis bildhaft heißt "zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters". Die Traurigen wird er trösten, die Niedergeschlagenen aufrichten, die von der Sünde gefangen sind, wird er befreien. Nichts kann ihn daran hindern. Allerdings denen, die ihm widerstehen, ihm widersprechen und verspotten, wird er das Gericht Gottes bringen. So formuliert es auch Paul Gerhardt in dem eben schon zitierten Adventslied in der letzten Strophe: "Er kommt zum Weltgerichte: / zum Fluch, dem der ihn flucht, / mit Gnad und süßem Lichte / dem, der ihn liebt und sucht".

Dann hat dieses Lamm auch noch sieben Augen. Diese sieben Augen bedeuten die sieben Geister Gottes. Sie verlieren nichts aus den Augen. Sie verlieren auch uns nicht aus dem Blick. Sie schauen nach dir und mir und begleiten uns. Ihnen entgeht nichts. Es sind die Augen der Liebe und des Erbarmens. Es sind die Augen, mit denen er uns den Weg in unsere persönliche Zukunft zeigt. Es sind die Augen, von denen der Psalmbeter spricht: "Ich will dich unterweisen und dir den Weg zeigen, den du gehen sollst, ich will dich mit meinen Augen leiten." (Psalm 32,8)

Manche unter uns kennen ja das Lied "Liebevoll wacht Jesus über dir, jeden Schritt, jeden Tritt den du gehst." Auch jeden Meter, den du fährst, im Straßenverkehr. Ich denke da an eine Geschichte, die ich als junger Student erlebt hatte. Ein anderes Auto fuhr mein Auto in Erlangen, wo ich studierte, an - und der Fahrer beging Fahrerflucht. Eine Autonummer habe ich mir nicht gemerkt. Ich lenkte mein Auto auf den Gehsteig, um den Schaden besehen zu können. Die Seite war beschädigt. Ein Mann kam auf uns zu. Er sah wenig vertrauenswürdig aus. Aber er sagte mir: "Wollen sie die Nummer des Auto, das Sie angefahren hat. Ich habe sie mir gemerkt." Natürlich wollte ich diese Nummer! So konnte der Schaden, ohne dass ich auf meine Reparaturkosten sitzen blieb, geregelt werden. Und mir fiel eben jener Liedvers ein: "Liebevoll wacht Jesus über dir, jeden Schritt, jeden Tritt, den du gehst".

So brauchen wir uns vor der Zukunft nicht zu fürchten. Jesus kennt und sieht unsere Wege und lässt uns nicht alleine und im Stich. Auch wenn es anders aussieht. Damals zur Zeit des Johannes waren ja für die Christen schwierige Zeiten. Von der römischen Staatsgewalt wurden sie verfolgt. Man sperrte sie ein, folterte sie, warf sie wilden Tieren vor oder tötete sie auf andere Art und Weise. Es war einfach furchtbar. Doch was sie in der Offenbarung lasen, tröstete sie und machte ihnen Mut. Jesus ist doch der Herr dieser Welt. Das Böse tobt sich eine Zeitlang aus, bis es besiegt ist.

Immer wieder gab es in der Vergangenheit für Christen chaotische Zeiten. Es gibt sie in der Gegenwart. Man denke nur an die schlimme Situation der Christen im Irak oder in Syrien. Ähnliche Zeiten werden vielleicht auch in der Zukunft auf uns zukommen. Aber wir brauchen uns davor nicht zu fürchten. Alles läuft auf die Herrschaft von Jesus Christus hinaus. Am Ende steht nicht das Chaos, nicht der Untergang, nicht die Vernichtung. Am Ende steht Ordnung, der Sieg Jesu Christi über alles Böse und eine neue Welt, in der nur Gott regiert. Das ist die Botschaft der Offenbarung.

Pfarrer Johannes Busch fuhr einmal im 2. Weltkrieg durch den klirrenden Frost Russlands. Es war einfach furchtbar. Die Straße, die sie fuhren, war eine Straße des Todes. Überall Verwundete, Verletzte und Tote. Schließlich nahm er sein Neues Testament heraus und las seinem Kameraden, der neben ihm am Steuer saß, daraus vor. Dieser hatte wohl seit Jahren nichts aus diesem Buch gehört. Aber er hörte still zu, als Busch Worte aus der Offenbarung vorlas. Als er einen Augenblick schwieg, dreht sich der LKW-Fahrer zu dem Pfarrer und sagte ihm: "Mensch, Busch, was seid ihr reich!"

Ja, wir sind reich. Wir wissen auch nicht, was in der Zukunft auf uns zukommt. Aber wir wissen um den, der diese Zukunft kennt: Jesus Christus. Wir kennen den, der der Herr der Weltgeschichte und auch unseres Lebens ist. Es liegt alles in seiner Hand. Deshalb können wir jetzt schon in dieses Lob mit einstimmen, das in unserem Predigttext steht: "Dem, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm sei Lob und Ehre und Preis und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit."

Amen