Bayreuth, den 22.4.18 Johannes 16,16.20-23a

Liebe Gemeinde! 

Abschiedsstimmung. Jesus sitzt mit seinen Jüngern am Abend vor seinem Tod zusammen und bereitet sie auf das vor, was kommen wird und muss. Jesus muss leiden und sterben. Die Jünger begreifen nicht so recht, was Jesus ihnen sagen will. Aber sie ahnen: Es wird etwas Schreckliches passieren. Jesus wird nicht mehr bei ihnen sein. Sie werden ihn nicht mehr sehen. Seine Worte machen sie traurig. Das spürt Jesus. Deshalb sagt er in unserem Predigttext: "Ihr habt nun Traurigkeit."

Er sagt das ohne Wertung. Er sagt nicht: "Reißt euch doch zusammen. Ihr habt doch gar keinen Grund zur Trauer. Ist doch nur kurze Zeit, dann werde ich wieder bei euch sein." So geht das nicht. Trauer kann man nicht einfach wegbefehlen.

Der Kabarettist Uli Keuler erzählt in einem seiner Stücke vom 75. Geburtstag der Oma. Die Familie hat sich sonst nicht um die alte Frau gekümmert. Aber jetzt läuft sie zur Hochform auf. Allerdings hat das Geburtskind nichts zu melden. Alles, Musik, Dekoration, Essen wird von der Familie mehr oder weniger liebevoll ausgesucht. Die Oma hat sich eigentlich alles ganz anders vorgestellt. Sie versucht, das Fest in ihrem Sinn zu gestalten. Aber der Sohn weist sie in ihre Schranken: "Jetzt setzst du dich hinter deine Torte und freust dich!" Aber die Oma freut sich natürlich nicht.

So einfach geht das nicht mit der Freude. "Dir geht es zwar nicht so gut. Aber jetzt setz dich mal hin und freue dich. Hab dich doch nicht so!"

So geht das nicht. Man kann nicht einfach den Schalter von Trauer auf Freude umstellen. Auch ein Christ nicht. Beim Abschiednehmen muss auch Zeit für Trauer sein. Denken wir daran, wenn wir Abschied von einem lieben Menschen nehmen müssen. Vielleicht ist man zuerst wie betäubt. Man kann gar nicht so recht begreifen, was passiert ist. Bis man wahrnimmt: Der Verstorbene kommt nicht mehr. Wie soll das Leben ohne ihn weitergehen? Die Kleiderschränke sind noch gefüllt. Die Wohnung noch voller Gegenstände, die an den Verstorbenen erinnern. Bei bestimmten Ereignissen, wo er sonst immer dabei war, fehlt er. Da ist die Zeit der Trauer und auch der Tränen. "Ihr habt nun Traurigkeit" sagt Jesus.

Es gibt auch die "kleinen Tode". Ich denke da an einen Umzug. Da zieht die Familie um, weil etwa der Vater eine neue Arbeitsstelle in einem anderen Ort gefunden hat. Eine neue Chance, aber auch ein Abschied. Und ein Kind ist vielleicht besonders traurig, weil es die gewohnte Umgebung und geliebte Freunde zurücklassen muss. So ein "kleiner Tod" ist auch das Ende einer Freundschaft oder gar eine Scheidung. Es ist das Ausziehen der Kinder, weil sie erwachsen geworden sind. Es ist der Abschied vom Berufsleben und das Gehen in den Ruhestand. So ein "kleiner Tod" ist auch das Bewusstwerden der Schuld. Man merkt, dass man einem bestimmten Menschen durch sein Verhalten weh getan hat. Verletzungen sind entstanden. Und die kann man nicht mehr wieder gut machen.

Diese Zeiten der "kleinen Tode" sind auch Zeiten der Trauer. Diese Zeiten gehören zu unserem Leben dazu. Trauer auszuhalten ist oft schwierig und kostet Kraft. Vor allem, wenn dann Gedanken kommen wie: Wie geht es denn jetzt weiter? Die Zukunft ist im Nebel gehüllt oder erscheint gar rabenschwarz.

Aber jetzt hören wir in unserem Predigttext: Trauer ist nicht das Letzte. "Aber ich will euch wiedersehen und euer Herz wird sich freuen", verspricht Jesus seinen Jüngern. Das ist die Hoffnung in allen Abschieden. Es gibt einen Neuanfang. Für jeden, der Jesus vertraut, gibt es einen Neuanfang. Auch wenn wir es nicht verstehen und noch nicht sehen können. Jesus kann durch Schmerzen und Trauer hindurch Neues entstehen lassen. Er hat die Macht, Situationen zu verändern. Er kann neue Horizonte eröffnen.

Er wird wiederkommen. Das hat Jesus seinen Jüngern versprochen. Er starb zwar ein paar Stunden später, an Karfreitag. Aber zwei Tage später war er wieder lebendig, zeigte sich seinen Jüngern und redete mit ihnen.

Jesus lässt bis auf den heutigen Tag seine Freunde nicht alleine. Wer ihn kennt und lieb hat, zu dem kommt er immer wieder. Das ist tröstlich.

An verschiedenen Stellen im Johannesevangelium spricht Jesus davon, wie dieses Wiederkommen aussehen wird. Er spricht vom Geist Gottes, den er auch als "Tröster" bezeichnet. Immer wieder spricht uns Jesus durch diesen Geist an. Er redet zu uns durch das Wort der Bibel oder einer Predigt oder durch das, was ein gläubiger Christ uns sagt.

Es gibt viele "wieder" im Umgang des Herrn Jesus mit uns. Er kommt wieder durch sein Wort der Vergebung, das uns in der Beichte im Gottesdienst oder bei einem Pfarrer oder Seelsorger zugesprochen wird. Er kommt immer wieder, auch wenn wir neue Sünden begangen haben und uns leid tun, Dann wiederholt er das freisprechende Wort. Wenn wir traurig sind und Trost brauchen oder wenn uns Sorgen unruhig machen, dann kommt er mit seinen Mut machenden Worten wieder, wie etwa: "Alle eure Sorgen werft auf ihn, denn er sorgt für euch." oder mit der Verheißung: "Fürchte dich nicht, glaube nur. Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt."

So ist es mit allen Segnungen der Vergangenheit. Sie sind nie etwas Abgeschlossenes, Endgültiges. Man kann nicht von ihnen sagen: „Das war einmal.“ Sondern aller Segen, jede Freude durch Jesus ist ein Zeichen dafür, dass in der Zukunft das Gleiche, ja noch Größeres und Gewaltigeres auf uns wartet. Er wird wiederkommen mit seiner Hilfe und seinem Eingreifen. Wir brauchen nicht nur von den Erlebnissen der Vergangenheit zehren, auch nicht wehmütig den Zeiten nachtrauern, in denen die Kirche Jesu Christi in unserem Land anscheinend besser dastand. Jesus hat neue Segnungen bereit, für uns persönlich und auch für unser Volk. Dass diese Segnungen auch kommen, hängt nur von unserem Glauben ab, ob wir ihm auch wirklich zutrauen, dass er einen Neuanfang schafft.

Als ein Jünger Jesu ganz überwältigt von einem offensichtlichen Wunder war, sagte dieser zu ihm: „Du wirst noch Größeres als das sehen!“ Diesen Satz sollen wir uns in Erinnerung rufen, wenn wir in Versuchung stehen, müde zu werden und zu resignieren. Unser Christsein wird nicht immer mehr verschrumpeln wie ein Apfel, den man auf einer Fensterbank vergessen hat. Nein, es wird sich entfalten, wir werden neue Segnungen erfahren, neues Eingreifen Gottes.

Und wann wird das der Fall sein? Wann wird Jesus helfen und eingreifen? Wer in Not ist, dessen Stärke ist in der Regel ja nicht gerade die Geduld, zumindest meine nicht. Jesus tröstet seine Jünger: „Eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen.“ Nur noch eine kurze Zeit! Sicher, wir empfinden es oft als unendlich lang, bis wir aus einer schwierigen Lage herauskommen. Aber im Nachhinein erkennen wir: Eigentlich war es recht kurz. Nur unsere Ungeduld war so groß und ließ uns die Zeit bis zum Eingreifen Gottes so lange erscheinen. Jesus lässt die nicht zappeln, die ihm vertrauen. Er lässt sich nicht Zeit mit seiner Hilfe, sondern er hilft, so schnell er kann. Die Zeit von der Kreuzigung bis zur Auferstehung erschien den Jüngern sicherlich unendlich lang. Aber sie war kurz, nur ein paar Stunden, eineinhalb Tage.

Wenn wir jetzt traurig sind, so wird uns Jesus doch so schnell wie möglich wieder Freude schenken, wenn nicht heute, so doch morgen oder zu der Zeit, die er für richtig hält. Wir brauchen nur Geduld.

Jesus gebraucht hier in unserem Predigttext den Vergleich von einer werdenden Mutter, die auf den Geburtstermin wartet. Eltern unter uns werden diesen Vergleich sicher gut verstehen, Je näher der Geburtstermin rückt, desto spannender wird es. Wann ist es denn endlich soweit!? Dann endlich kommt der Tag der Geburt des neuen Erdenbürgers. Das Kind wird geboren. Die glückliche Mutter hält ihr Neugeborenes in den Armen. Vergessen ist die Zeit des Wartens. Vergessen sind die Schmerzen bei der Geburt. Jetzt herrscht nur noch die Freude, auch wenn sie die Anspannung noch fühlt. Ein gesundes Kind ist geboren.

Genauso ist es auch im Leben eines Menschen, der die Freude, die Jesus schenkt, erfahren soll. Vorher ist Trauer, über sich und seine Schuld, vielleicht auch Schwermut, oder tiefe Anfechtung in Krankheit, Unfall oder anderen schwierigen Situationen. Doch dann kommt er, Jesus und mit ihm Freude, tiefe Freude, tiefes Glück.

Denken wir an die Jünger Jesu. Am Ostermorgen war ihre Lage alles andere als rosig. Die Feinde Jesu rieben sich vergnügt die Hände und die kleine Schar der Anhänger Jesu war ohne Hoffnung. Die Sache Jesu schien am Ende, erledigt zu sein. Doch in diesem Augenblick äußerster Niedergeschlagenheit brach die Freude herein, da begegnete ihnen der Auferstandene.

Das soll uns aufrichten, wenn wir durch Stunden und Lagen gehen müssen, in denen uns zum Weinen zumute ist wie den Jüngern damals nach Karfreitag. Wenn alle Hoffnungen vernichtet zu sein scheinen, gerade dann sollen wir erfahren: Jesus lebt.

Drei junge Männer stiegen eines Tages in ein Zugabteil. Sie lachten und waren sehr fröhlich. Sie konnten ihre übergroße Freude nicht verbergen. Sie glaubten an den Herrn Jesus und hatten gerade eine Predigt gehört, die ihnen großen Mut zum Glauben gemacht hatte.

Im Abteil saß eine Dame, die schließlich bissig anmerkte: “Sie scheinen ja besonders fröhlich zu sein!” – “Raten Sie mal, warum!” antwortete einer der drei. “Sie sind vielleicht ein wenig betrunken?” – “Nein, das ist es nicht!” – "Dann haben Sie wohl eine Fete gefeiert?” “Nein.” – “Haben Sie vielleicht im Lotto gewonnen?” – “Das ist es auch nicht!” – “Ja, dann muss wohl einer von den Toten auferstanden sein!” meinte die Dame gekränkt. “Ganz recht, das ist es!” meinten die jungen Leute. “Dann war der Betreffende wohl nur scheintot!” – Die drei lachten: “Nein, er war richtig tot. Aber nun lebt er auch richtig und ist wahrhaftig auferstanden. Und darum haben wir eine so große Freude!” Erschrocken fragte die Dame zurück: “Davon habe ich ja gar nichts gehört! Wer war denn das?” Da erzählten die drei jungen Männer von Jesus, der für sie gestorben und wieder auferstanden ist.

Er lebt! In diesen Worten schwingt eine tiefe Freude mit. Es ist die Freude darüber, dass der Tod im letzten Augenblick doch noch einen Rückzieher gemacht hat. Es ist das befreite Aufatmen, dass einer immer bei uns ist, der uns lieb hat.

Jesus lebt. Diese Gewissheit kann auch im tiefsten Leide uns tragen. Er lässt uns nicht im Stich. Gerade dann kommt er zu uns.

Er kommt wieder, auch da, wo schon einmal Segen war und nun anscheinend verschwunden ist. Manchmal mit noch größerem Segen.

Ein Beispiel aus der Kirchengeschichte: Im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts entstand in China eine blühende Kirche. Doch die Kulturrevolution von Mao Zedong in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts schien alles wieder zu zerstören. Ein in Deutschland lebender Missionar klagte: "Was in mehr als hundert Jahren in China geworden und aufgebaut wurde, wofür Missionare große Opfer brachten, ist nun alles zerstört." Der alte Mann konnte nur noch weinen wie ein Kind.

Doch plötzlich verzogen sich wieder die Nebel. Das Wort des Kirchenvaters Athanasius bewahrheitete sich. Als eine große Christenverfolgung der ersten Jahrhunderte hereinbrach, sagte er gelassen: "Nubicula transibit." Es ist nur ein Wölkchen. Es zieht vorüber.

So geschah es auch in China. Jener alte China-Missionar freute sich unendlich, als die neuen zuverlässigen Nachrichten eintrafen, dass die Gemeinde in China keineswegs ausradiert wurde. Sondern sie ging gestärkt, vermehrt und geistlich selbstständiger und bewährter aus den ganzen Kämpfen und Leiden hervor. Bis auf den heutigen Tag wächst die chinesische Kirche sehr rasch.

Der Volksmund sagt: „Wer zuletzt lacht, lacht am besten.“ Man kann auch sagen: „Wer sich zuletzt freut, freut sich am besten.“ Und das werden die Christen sein, die, die an Jesus Christus geglaubt haben. Sie werden sich freuen, wenn Jesus Christus auf diese Erde wiederkommt, so wie er es ja versprochen hat. Der Glaube an die Wiederkunft Christi ist ja nicht sektiererisches Glaubensgut sondern steht im Bekenntnis unserer Kirche. Jesus sagt von diesem Tag: „An dem Tag werdet ihr mich nichts fragen.“ Jetzt haben wir noch viele Fragen: „Warum gibt es so viel Leid in dieser Welt? Warum müssen Kinder an Krebs sterben? Warum musste gerade ich dieses Schicksal durchmachen? Warum hat mich mein Freund oder mein Mann verlassen? Warum glaubt mein Sohn nicht?“ Alle diese Fragen werden vergehen. Nicht im Grabe der Resignation und des Sich-Abfindens. Sondern im Angesicht Jesu. Wenn wir Jesus sehen, seine Weisheit, seine Liebe, seine Treue, werden wir keine Fragen mehr haben. Sie sind alle überraschend klar und einfach gelöst. Er selbst wird die Antwort sein.

Amen