Bayreuth, den 10.5.18 Offenbarung 1,4-8

Liebe Gemeinde!

Heute feiern wir das Fest, wo wir daran denken, dass Jesus uns ganz nahe ist. Das heißt ja Himmelfahrt: Nicht dass Jesus sich von dieser Erde verabschiedet hat, nicht dass er sich auf Nimmerwiedersehen in seine himmlische Heimat zurückgezogen hätte. Sondern seit jenem denkwürdigen Tag, als Jesus gen Himmel fuhr, ist er uns jederzeit und überall gleich nah. Wenn er immer auf der Erde geblieben wäre, dann wäre seine Herrschaft nur begrenzt. Er könnte sich immer nur um die kümmern, die gerade in seiner Nähe sind. Er könnte nur mit denen reden, die gerade ihn ansprechen. Aber seitdem er im Himmel bei seinem Vater ist, kann er sich um jeden, der etwas von ihm haben will, kümmern, kann er alle Gebete, die zu ihm kommen, hören und beantworten. Denn der Himmel, in dem Jesus sich befindet, ist nicht über uns der Sternenhimmel. Der Himmel Gottes ist nicht die Erdatmosphäre oder der Weltraum. Er ist vielmehr die unsichtbare Wirklichkeit Gottes, die uns von allen Seiten umgibt. Seitdem Jesus in den Himmel aufgefahren ist, gibt es also keinen Ort, an dem Jesus nicht wäre. Seit Himmelfahrt gilt die aufregende Tatsache: Wir sind nie mehr unter uns! Jesus ist immer mit dabei! Der Himmel hat ein Loch bekommen. Er ist offen. Seitdem kann uns immer wieder etwas von dieser himmlischen Welt zuströmen.

Martin Luther sagte zur Himmelfahrt Jesu Christi: „Darum hüte dich, dass du nicht so denkest, dass er jetzt weit von uns weg sei, sondern grad umgekehrt: da er auf Erden war, war er uns fern, jetzt ist er uns nahe.“

Jesus ist uns ganz nahe, das ist die Botschaft des heutigen Festtages. Nur, wo sind die Massen, die ihm zujubeln? Wo ist die Sehnsucht danach, seine Nähe zu spüren? Wo die Freude darüber, sie erlebt zu haben? Die leeren Kirchenbänke an diesem Feiertag in vielen Kirchen sprechen Bände!

Mit dem Himmel kann unsere materialistisch eingestellte Welt nicht mehr viel anfangen. Heute an Himmelfahrt zieht es viel mehr in die Natur und in Biergärten als in die Gottesdienste. Den Himmel überlassen wir den Spatzen! So spotten viele.

Dafür machen diese Spötter oftmals eine ganz andere Erfahrung, auch mit einer jenseitigen wELT, auch wenn die nicht an sie glauben, und zwar mit einer bösen.

Ich las einmal auf einer Wohnungstür den Satz: „In dieser Höhle ist die Hölle.“ Ich weiß nicht, wie es hinter dieser Wohnungstür ausgesehen hat. Bei aller Neugierde bin ich eigentlich ganz froh darüber. Aber das weiß ich: In so manchen Wohnungen ist wirklich die Hölle los!

Da liegt zum Beispiel in einer Wohnung die Mutter bekifft auf dem Sofa, während die Tochter im Supermarkt Alkohol klauen muss. Oder woanders: Die Eltern liegen im Bett. Der halbwüchsige Sohn ist sich selbst überlassen und geht in die Schule. Der Lehrer fragt: Wieso hast denn deine Sachen nicht dabei? Antwort: "Seien Sie froh, dass ich überhaupt gekommen bin." Diese und ähnliche Geschichten sind vielleicht ganz in unserer Nähe geschehen. Unser neuer Dekan Jürgen Hacker klagte: In der Stadtkirchengemeinde sind letztes Jahr 61 Gemeindeglieder ausgetreten. Auch in unserer Stadt bröckelt die christliche Fassade immer mehr ab. In den Wohnungen dieser Menschen spielt Gott kaum eine Rolle mehr. Klar, viele dieser Menschen glauben auch noch irgendwie an Gott. Aber er ist ihnen nichts mehr wert.

Der Pfarrer Axel Kühner sagte einmal: „Wenn die Menschen gottlos werden, werden die Sitten zügellos, die Mode schamlos, die Lügen grenzenlos, die Verbrechen maßlos, die Völker friedlos, die Schulden zahllos, die Regierungen charakterlos, die Konferenzen endlos, die Aussichten trostlos, die Kirchen kraftlos und die Christen gebetslos.“

Mit anderen Worten: Der Teufel ist los. Die Hölle ist los. Aber seit Himmelfahrt ist noch etwas ganz anderes los: Der Himmel ist los, die Freude ist los, die Hoffnung hat Raum, die Barmherzigkeit gewinnt, die Versöhnung wächst, die Liebe blüht auf. Wo Menschen an Jesus glauben, ist der Himmel los.

Diese Aussage ist besonders wichtig in Zeiten, in denen der Glaube an Gott und an Jesus nichts oder nichts mehr bedeutet.

In solchen Zeiten lebte auch der Jünger Johannes, von dem unser Predigttext geschrieben wurde. Ihm war der Glaube an Jesus so wichtig, dass er ihn nicht für sich behalten konnte sondern ihn weitererzählte. Er musste für sein Verhalten wie alle anderen Apostel teuer bezahlen. Er kam dabei noch glimpflich davon. Die anderen Jünger wurden wegen ihres Glaubens umgebracht. Er wurde "nur" auf eine Insel im Mittelmeer namens Patmos verbannt.

Der mächtigste Mann seiner Zeit war der römische Kaiser Domitian. Er ließ sich wie viele seiner Nachfolger als Gott verehren. Während seiner Regierungszeit fanden Christenverfolgungen statt. Sie wurden jedoch bald eingestellt. Der Grund, so der Kirchenhistoriker Euseb, war folgender: Domitian ließ sich zwei Christen vorführen. Es waren Enkel eines Bruders von Jesus. Diese erklärten dem Kaiser: Christi Reich sei nicht von dieser Welt sondern himmlisch. Daraufhin ließ Domitian diese Christen frei und stellte die Christenverfolgungen ein. Diese harmlosen Gestalten, so meinte er, konnten sein Kaisertum nicht gefährden. Es war ein Irrtum. Gerade das Christentum fegte das römische Kaisertum hinweg, wenn auch erst über 200 Jahre später.

Die Christen waren zur Zeit Domitians eine kleine Gruppe, bedeutungslos, einflusslos. Johannes war Bischof der christlichen Gemeinde in Ephesus. Er wurde von der römischen Obrigkeit nach Patmos abtransportiert. Dort war er isoliert von seiner Gemeinde. Dort konnte sie seinenmahnenden und tröstenden Worte nicht mehr hören. So meinte man. Johannes war zwar allein. Aber Jesus kam ihm in einer eindrücklichen Vision ganz nahe. Und das, was er hörte und sah, schrieb er auf. Das Ergebnis ist die Offenbarung Johannis. Ihr Inhalt sollte seine Gemeinde mehr mahnen und trösten als alles andere, was er vorher sagte und schrieb. Dies gilt bis auf den heutigen Tag für die Christenheit.

Sicher, dieses Buch wurde durch die Jahrhunderte hindurch von vielen Christen beiseite gelegt, missverstanden und verachtet. Aber für die ersten Christen war die Offenbarung tröstlich. In ihr stand ja: In allen Wirren ihrer Zeit stand doch eine Wahrheit unumstößlich fest: Die Herren dieser Welt waren nicht die römischen Kaiser. Es war, ist und bleibt Jesus Christus. Er ist das A und das O der Weltgeschichte, das heißt der Anfang und das Ende. Atemberaubend!

In der Offenbarung stehen in den folgenden Kapiteln unglaublich schreckliche Ereignisse und Katastrophen. Aber am Ende, nach diesen Gerichten Gottes, am Ende aller Zeiten, kommt Jesus wieder. Er wird dann der unumschränkte und unbestrittene Herrscher dieser Welt sein.

Die erste von Höllenmächten bedrohte Christenheit verstand diese Botschaft sehr wohl. Auch wenn in unserer Zeit, oder gar in unserem Leben, die Hölle los ist, so kann uns die Botschaft der Offenbarung Mut machen: Jesus ist der Herr. Durch alle Zeiten hindurch.

Zur Zeit der Bibel, vor 2000 Jahren, erlebten es die Menschen: Wo Jesus war, war der Himmel offen. Er war an Weihnachten offen. Die Hirten auf dem Feld sahen und hörten die Engel aus der sonst verborgenen, unsichtbaren Welt Gottes. Als der Sohn Gottes diese Erde betrat, da war der Himmel offen. Das Gleiche geschah immer wieder bei verschiedenen Gelegenheiten. Bei der Taufe Jesu öffnete sich der Himmel und der Geist Gottes kam wie eine Taube auf Jesus herab. Jesus heilte Kranke, er vergab Sünden. Das heißt die heilende und vergebende Wirklichkeit Gottes wurde erfahrbar. Als Jesus am Kreuz starb, da schien die Hölle zu triumphieren. Aber drei Tage später ist er wieder auferstanden. Seine Niederlage am Kreuz entpuppte sich als Sieg über Sünde, Hölle und Tod.

Auch heute ist die Nähe Jesu immer noch erfahrbar. Seit seiner Himmelfahrt können wir Jesus zwar nicht mehr sehen. Wir leben in der Zwischenzeit zwischen seinem ersten und seinem zweiten Kommen. Aber der Himmel ist immer noch offen.

Der Himmel beginnt für uns da, wo wir uns der Wirklichkeit des lebendigen Gottes ausliefern und unser Leben in die Hände des Mannes vom Kreuz legen. Da werden wir immer wieder die Erfahrung des Himmels auf Erden machen. Wir werden spüren: Jesus ist immer da. Wer an ihn glaubt, darf die ganze Fülle seiner Gegenwart erleben. Der darf ganz und gar bei ihm geborgen sein.

Ein kleiner Junge darf zum ersten Mal mit seinem Vater in der Eisenbahn mitfahren. Voller Neugier und Erwartung stehen sie auf dem Bahnsteig.

Endlich fährt der Zug ein. Vater und Sohn suchen sich einen Platz. Der Junge schaut aus dem Fenster und plaudert mit den Mitreisenden über alles, was er draußen sieht. Ganz vergnügt genießt er die Reise und plappert munter drauflos.

Plötzlich fährt der Zug in einen Tunnel. Es wird finster. Der Junge verstummt. Er sagt kein Wort mehr. Es wird immer dunkler. Da schiebt der Junge seine Hand zum Vater hin und fragt: "Papa, bist du noch da?" Der Vater nimmt die Hand des Jungen und sagt: "Ja, ich bin noch da!" Bald kommt der Zug aus dem Tunnel heraus. Es wird hell. Der Junge beginnt wieder zu plappern.

Das Leben ist auch so wie eine Zugreise. Da gibt es wunderbare, herrliche Zeiten. Wir genießen das Leben. Wir sind froh. Es gibt so viel zu erleben und mitzuteilen. Und wir nehmen es fast sichtbar wahr: Jesus ist bei uns, gibt Glück und Gelingen zu unseren Unternehmungen, die nötige Kraft und Freude.

Doch plötzlich sind wir im Tunnel. Wir haben Angst. Wir machen uns Sorgen wegen unserer Zukunft. Krankheit belastet uns. Kränkungen und Verletzungen machen uns mutlos. Schuld drückt uns nieder. Das Alter und die Vorboten des Todes wollen uns Angst einjagen.

Wer in solchen Situationen keinen Reisebegleiter hat, der ist arm dran. Menschliche Nähe kann schon tröstlich sein. Aber noch besser ist es, wenn wir glauben und erfahren: Jesus lässt uns nicht allein. In den dunklen Zeiten unseres Lebens dürfen wir ihm unsere Hand entgegenstrecken und ihn fragen: "Bist du noch da?" Die Antwort lautet immer: Ich bin bei dir alle Tage, und auch alle Nächte. Ich lasse dich nie allein." Er wacht über uns und wartet nur darauf, dass wir seine Nähe suchen.

Jesus war leibhaftig da, zur Zeit des Neuen Testamentes, er ist heute noch da, durch die Erfahrung seines Geistes und er wird kommen, in Herrlichkeit.

Bei seiner Himmelfahrt verhüllten ihn Wolken vor den Augen seiner Jünger. Diese Wolken zeigten die Nähe Gottes an und verhüllten gleichzeitig seine Herrlichkeit. Bei seiner Wiederkunft wird er wieder mit den Wolken kommen, aus der unsichtbaren Wirklichkeit Gottes. Jeder wird ihn dann sehen, ob er will oder nicht. Der Theologe Helmut Thielicke drückte es so aus: "Der Glaube darf schauen, was er geglaubt hat; der Unglaube muss schauen, was er nicht geglaubt hat."

Es gibt ein Gedicht von Werner Bergengruen. Er überschreibt es mit "Das letzte Kommen Jesu, die letzte Epiphanie." In ihm heißt es:

"In vielen Gestalten bin ich gekommen,
Ihr aber habt mich in keiner erkannt…
Ich kam als Gefangener, als Taglöhner
Verschleppt und verkauft,
Von der Peitsche zerfetzt,
Ihr wandtet den Blick von dem struppigen Fröner.
Nun komm ich als Richter.
Erkennt ihr mich jetzt?"

Er kommt einmal als Richter. Und das ist gut so. Denn ein Richter hat ja die Aufgabe, Recht zu sprechen. Denen in ihrem Leben Unrecht zugefügt worden ist, die werden dann zu ihrem Recht kommen. Wer Unrecht getan hat, wird dafür zur Rechenschaft gezogen.

Wem Gott seine Gebote und Jesus nichts bedeutet haben, wird an diesem Tag mit Schrecken merken, welcher Wirklichkeit er sein Leben lang ausgewichen ist. In dem Adventslied von Paul Gerhardt heißt es: "Er kommt zum Weltgerichte, zum Fluch dem, der ihm flucht."

Aber wer Jesus geliebt hat, wer ihn als seinen Heiland gebraucht hat als den, der ihn tröstet, ihm vergibt, hilft und Kraft für ein neues Leben gibt, der darf sich auf sein Kommen freuen. In der eben zitierten Strophe heißt es ja weiter: Er kommt "…mit Gnad' und süßem Lichte dem, der ihn liebt und sucht. Ach komm, ach komm o Sonne, und hol uns allzumal zum ewgen Licht und Wonne in deinen Freudensaal"

Amen