Bayreuth, den 3.6.18 Jeremia 23,16-29

Liebe Gemeinde! 

Hochstapler gab und gibt es in vielen Berufen. 15 Jahre lang arbeitete ein gelernter Postzusteller als Arzt. Ein anderer Mann praktizierte jahrelang in mehreren Kliniken und Arztpraxen. Es handelte sich um einen gelernten Friseur. Ganz schön dreist und gefährlich dazu. Gesundheit und Leben von vielen Patienten lagen in den Händen von Betrügern.

Etliche Autofahrer fielen sogar auf falsche Polizisten herein. Diese hatten Polizeiuniformen gestohlen, stoppten Autofahrer und kassierten sie wegen vermeintlicher Verkehrsvergehen ab. Diese Verkehrteilnehmer rechneten natürlich nicht im Traum damit, dass sie Betrügern aufsaßen und Geldbußen ohne jede gesetzliche Grundlage bezahlten.

Nun haben wir in unserem Predigttext auch von Betrügern gehört. Sie gaben sich als Propheten aus, also als Boten Gottes, die vorgaben, in seinem Namen zu reden. Der Prophet Jeremia, ein Kollege gewissermaßen, rechnet mit ihnen ab, schonungslos. Nicht aus Rechthaberei sondern aus Liebe zur Wahrheit und seinem Gott. Diese falschen Propheten führten das Volk und ihre Führer in die Irre und logen sie an. Dabei handelte es sich nicht einmal um Hochstapler. Es waren ausgebildete Propheten an so genannten Prophetenschulen. Sie hatten die Lizenz zum Predigen. Sie hatten die Lizenz zum Reden im Namen Gottes. Das hatten sie ja gelernt. Dafür wurden sie auch gut bezahlt. Sie saßen an einflussreichen Stellen wie im Tempel von Jerusalem oder beim König als angesehene Berater. Und doch handelte es sich um falsche Propheten mit Lügenbotschaften.

Natürlich ist das heftig und natürlich klingt das verwirrend: Im Namen des gleichen Gottes traten Propheten auf, die genau das Gegenteil sagten wie Jeremia. Wie ist das möglich? Nun, diese Propheten lebten oft am Hof das Königs, waren gut bezahlt, hatten allerlei Privilegien. Sie gehörten zur Elite ihrer Gesellschaft. Da lag natürlich die Versuchung nahe, dem König, der Oberschicht und überhaupt dem ganzen Volk nach dem Mund zu reden. Sie redeten nicht von Sünde. Sie redeten nicht vom Versagen und falschen Entscheidungen des Königs. Sie redeten nicht von Umkehr und vom Gericht Gottes. Denn solche Worte kamen ja nicht gut an. Lieber redeten sie davon, dass alles in Ordnung sei. Sie sagten dem Volk Israel eine blendende Zukunft voraus. Denn Gott steht ja auf ihrer Seite. Sie redeten zwar im Namen Gottes aber sie hatten sich alles nur ausgedacht. Ihr Worte kamen aus ihrem Herzen und nicht aus dem Herzen Gottes.

Ganz anders Jeremia. Gott hat ihn in jungen Jahren zum Propheten berufen. Gegen seinen Willen. Gott hat ihn zum Prophetenamt überreden müssen. Was Jeremia sagt, sind keine Schmeicheleien. Es ist die Wahrheit. Er redet von den Sünden des Volkes, der Priester, Propheten und sogar des Königs. Und er redet von Umkehr und Gericht. "Lasst ab von euren Sünden! Kehrt um! Sonst werden Jerusalem und der Tempel zerstört!" So predigt er unerschrocken. Seine Botschaft kostete ihn fast das Leben. Er wurde eingesperrt, gefoltert und beinahe umgebracht. Aber was er sagte, war die Wahrheit, auch wenn sie seinen Zuhörern nicht gefiel. Und seine Prophezeiungen traten ein. Es kam das angekündigte Gericht Gottes. Jerusalem und der Tempel wurden zerstört. Ja noch mehr: Der Staat Israel hörte auf zu existieren. Erst 2500 Jahre später wurde Israel wieder selbständig. Am 14. Mai 1948 verlas der Staatspräsident Ben Gurion die Unabhängigkeitserklärung für den Staat Israel.

Nun leben wir im Jahr 2018 und nicht mehr im Jahr 600 vor Christus. Aber auch heute noch gibt es Boten Gottes und solche, die sich dafür ausgeben. Jeder Pfarrer, jeder Theologe sollte den Willen Gottes weitergeben. Das heißt er sollte auf der Grundlage des Wortes Gottes, der Bibel, Orientierung, Hilfe, Mahnung und Trost anbieten.

Aber nun gibt es die Gefahr, dass sie mehr nach Anerkennung bei den Menschen trachten als nach Anerkennung bei Gott. Die Versuchung ist groß, dass sie Unangenehmes, anscheinend nicht mehr Zeitgemäßes verschweigen und den Menschen nach dem Mund reden. Deshalb redet man nicht mehr über bestimmte Glaubensinhalte oder lehnt sie gar ab. Man kann, so meint man, dem heutigen Menschen nicht mehr zumuten, daran zu glauben, dass Jesus Gottes Sohn war, dass er Wunder getan hat, dass er für unsere Sünden am Kreuz gestorben ist, dass er in den Himmel aufgefahren ist, dass er wiederkommt, dass es ein Gericht Gottes und eine Hölle gibt. Man kann auch so nicht mehr von Sünde reden wie früher, meint man. Sex vor der Ehe oder auch praktizierte Homosexualität seien keine Sünde. Solche Aussagen könne man dem modernen Menschen nicht mehr zumuten, obwohl Paulus ganz klar das so sagt.

Es gibt viele ernsthafte Anstrengungen der Kirche, mit der Zeit zu gehen und nicht als rückständig angesehen zu werden. Aber diese Bemühungen hatten oft nicht den gewünschten Erfolg, im Gegenteil.

Der Dichter Kurt Tucholsky hat schon im letzten Jahrhundert etwas bissig über die Kirche geschrieben, dass sie ständig hinter den Themen der Zeit herliefe, wie ein Hund hinter einem Stück Fleisch. „Was an der Haltung der Kirche auffällt, ist ihre heraushängende Zunge. Atemlos japsend läuft sie hinter ihrer Zeit her. Sagt die Welt: ‚Sozialismus!’ ruft die Kirche: ‚Wir auch!’ – ‚Sport!’ – ‚Wir auch!’ Diese Kirche schafft nichts. Sie wandelt das von anderen Geschaffene in Elemente um, die ihr nutzbar sein können.“

Eine Kirche, die zu allem etwas sagen will, hat bald nichts mehr zu sagen, der hört man nicht mehr zu, die ist ohne Vollmacht.

Das Wort Gottes, so sagt hier unser Predigttext, ist ganz anders als eine an den Wünschen und Vorstellungen der Menschen angepasste Verkündigung. Es ist wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt. Das klingt erschreckend und ist es auch. Das Wort Gottes reißt nieder, zerstört, macht kaputt, aber nur das, was in seinen Augen nichts taugt. Es gibt ja Firmen, die haben sich auf den Abriss von Gebäuden spezialisiert. Aber sie tun das nicht, weil sie so gerne etwas kaputt machen. Sondern sie haben eine wichtige Aufgabe von ihrem Auftraggeber übertragen bekommen: Sie zerstören und beseitigen Altes und Baufälliges, um Platz für Neues zu schaffen.

So ist es auch mit dem Wort Gottes. Es will Altes und Baufälliges in unserem Leben beseitigen. Deshalb muss eine Predigt auch immer wieder Sünde beim Namen nennen, nicht um die Zuhörer zu ärgern sondern um sie zur Umkehr, zur Buße zu bringen.

Vor allem muss immer wieder in den Kirchen gerade den Frommen gesagt werden: Gott widersteht den Hochmütigen aber den Demütigen gibt er Gnade. Es muss immer wieder gesagt werden: Niemand, auch nicht der Frömmste, ist besser als der schlimmste, verkehrteste Sünder. Sondern auch er ist fähig zu allem Bösen, wenn er nur die Gelegenheit dazu hätte. Wir Fromme haben nicht die Liebe Gottes gepachtet. Sondern auch wir müssen über unser böses, oft überhebliches Denken, Reden und Handeln erschrecken und uns darüber schuldig geben.

Auch bei uns Frommen muss Gott oft mit dem Hammer ran. Er muss bei uns etwas wegschlagen, so wie ein Bildhauer bei einer Skulptur. Dies geschieht sehr präzise, sehr genau.

Im Petersdom befindet sich eine übergroße Skulptur eines sitzenden Petrus. Der berühmte Bildhauer Michelangelo hat sie aus einem unförmigen Marmorfels herausgemeißelt. Die Arbeiter, so erzählt die Geschichte, hielten diesen Block für unbrauchbar. Aber Michelangelo sah schon in seiner Phantasie die Umrisse der Figur eines Petrus. Er meinte: Er müsste sie nur aus dem Felsen herausschlagen. Und das schaffte er auch.

Das ist für mich ein Gleichnis für das Handeln Gottes in unserem Leben. Er hat schon eine Vorstellung davon, wie er unsere Persönlichkeit umgestaltet. Er weiß, welche Schläge er uns geben muss, damit dies geschieht. Auch wenn es schmerzt, es sind doch Schläge seiner Liebe. Er will uns brauchbar machen für unseren Dienst zu seiner Ehre und für das Wohl der Menschen. Dies ist Gnade, wenn er dies an uns tut, und keine Strafe.

Auch wir Fromme brauchen Gnade, gerade wir brauchen Gnade, damit wir nicht auch mit den Gottlosen zusammen verloren gehen. Gerade wir brauchen Jesus.

Von diesem Jesus muss auch heute gesprochen werden. Ich möchte nicht nur wie Jeremia von den bitteren Wahrheiten reden, von Buße und Umkehr und dem Gericht Gottes. Wir kennen ja den, den Jeremia im gleichen Kapitel 23 als einen gerechten König ankündigt, der den Namen trägt: "Der Herr ist unsere Gerechtigkeit."

Jeremia spricht hier ja auch vom "nahen Gott". Das ist für uns der lebendige Herr Jesus Christus. Denn Jesus ist keine tote Gestalt der Vergangenheit sondern der Auferstandene und Lebendige. Durch die Jahrhunderte hindurch nach seiner Auferstehung und Himmelfahrt gibt er Lebenszeichen von sich. Er krempelt das Leben von Menschen um, gibt Trost, vergibt Schuld. In dem Wort seiner Boten ist er gegenwärtig und redet ganz persönlich zu dem, der auf ihn hört. Sie predigen rein das Evangelium, wie es in dem „Augsburger Bekenntnis“ heißt. Sie verkündigen Gottes Wort. Diese Boten selber sind aber keine Halbgötter in Schwarz, keine fehler- und sündlosen Menschen. Sie sind oft in ihren eigenen Augen Versager und sehen sehr genau ihre eigene Schwachheit.

Man kann gerade sagen: Wer immer wieder das eigene Unvermögen erkennt, Gottes Wort weiterzusagen, der ist ein rechter Bote Gottes, so wie es bei Jeremia auch war. Aber diese Boten Gottes vertrauen darauf, dass, wie beim Apostel Paulus, Gottes Kraft in ihnen mächtig ist, dass Jesus durch sie wirken und reden kann, weil sie nichts Eigenes zu sagen und zu bringen haben.

Es hat einmal jemand gesagt: „Die Kirche ist wie ein Schiff von lauter Nieten zusammengehalten.“ Es sind wirklich Nieten, Nullen, Versagende, die Jesus gebraucht und dadurch sein Reich baut. Die Kirche heißt nicht deshalb heilig und christlich, weil ihre Boten und die Gläubigen so heilig in ihren Augen sind, sondern weil sie eine wunderbare Botschaft verkündigen und glauben dürfen, die nicht von dieser oft so unheiligen Welt ist sondern von einer anderen, göttlichen, eben heiligen Welt ist. Dort ist eben Kirche, wo das Evangelium von Jesus Christus rein verkündigt wird, das heißt ohne dass etwas dazugefügt oder weggelassen wird.

Diese Botschaft ist heute genauso zeitgemäß. Die Welt hat sich zwar in den letzten 2000 Jahren ungeheuer verändert, aber der Mensch ist der Gleiche geblieben, von Ängsten getrieben, von Süchten versklavt, und vor allen Dingen mit Schuld beladen. Er muss, wie Jeremia es tat, zur Buße, zur Umkehr gerufen werden, aber auch zum Glauben an das Evangelium.

Das Evangelium ruft nun diesem Menschen zu: Du, es gibt einen Ausweg aus deiner Angst, Not und Schuld. Jesus hat am Kreuz einen Ausweg aus allem, was einen Menschen quälen und umtreiben kann, geschaffen. Er will es dir abnehmen, und dich zu einem frohen und freien Menschen machen. All deine Lasten darfst du an Jesus abgeben. Du brauchst ihm nur zu vertrauen, dass er dir hilft und beisteht, dass er dir deine Schuld vergibt und dich zu einem neuen Menschen macht. Es handelt sich wirklich um eine frohe Botschaft, weil sie nichts vom Menschen fordert und verlangt, was er doch nicht schafft. Es sind keine guten Ratschläge und Verhaltensmaßregeln. Sondern Gott selber schenkt dir etwas, was dich froh und frei macht, die totale Vergebung deiner Sünden. Du brauchst es nur zu nehmen, zu glauben.

Dieses Evangeliums muss sich die Kirche nicht schämen. Denn es ist die beste Botschaft der Welt. Es ist nicht veraltet und tut auch heute noch seine Wirkung. Prediger und alle gläubigen Christen sollen deshalb den Mut aufbringen, es zu verkündigen und sich dazu bekennen, wenn es erforderlich ist und dann nicht auf Tauchstation gehen.

Es war auf dem Kirchentag in Leipzig in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts: Empfang im Rathaus. Die Spitzen der Behörden und die Spitzen der Kirche waren versammelt. Und dann wurden Reden gehalten, möglichst unverbindlich, damit man sich nicht gegenseitig zu sehr auf die Hühneraugen trat. Heinrich Giesen, der damalige Generalsekretär des Deutschen Evangelischen Kirchentages, hatte das Schlusswort. Er hatte den Mut zu einem schlichten aber deutlichen Zeugnis seines Glaubens. Er stand auf und sagte: „Sie fragen uns, meine Herren, was wir für Leute sind. Ich möchte es Ihnen mit einem Satz sagen: Wir sind Leute, die beten: ‚Lieber Gott, mach mich fromm, dass ich in den Himmel komm!’“ Und dann setzte er sich hin. Es war unheimlich, wie die Leute auf einmal erschüttert waren.

Ein klares Bekenntnis des Glaubens hat immer eine Wirkung. Entweder es wird abgelehnt oder angenommen. Das Evangelium fordert die Entscheidung von einem. Es wird immer Menschen geben, die vom Evangelium nichts hören wollen. Dafür gibt es andere, die diese Botschaft gerne hören, sich auf sie einlassen, sie glauben und in ihr Leben umsetzen.

Wer die Botschaft vom Evangelium weitersagt, der gibt Gottes Botschaft weiter, sein Wort. Gott sucht heute noch solche Botschafter, nicht nur auf den Kanzeln, nicht nur in der Gemeindearbeit sondern auch im Alltag. Gott gebe uns allen den Mut, uns auch in der Familie, auf der Arbeit oder in der Freizeit uns zu diesem wunderbaren Herrn Jesus Christus zu bekennen.

Amen