Bayreuth, den 9.9.18 Galater 5,(24).25-6,1-3.7-10

Liebe Gemeinde! 

Vor ein paar Wochen war die gewohnte Strecke zu unserem Wochenendgrundstück gesperrt. So musste ich eine Alternativstrecke nehmen. Mit Navi kein Problem. Sie war sogar einen Tick kürzer als die "normale" Strecke. Aber sehr verwinkelt, mit vielen Abzweigungen auf Nebenstraßen. Auf dem Heimweg probierte ich es einmal ohne Navi. Zunächst ging es gut. Denn auch diese Strecke war mir nicht unbekannt. Aber nach gut der Hälfte merkte ich: Ich hatte mich verfahren und musste halt ein paar Kilometer länger fahren. Bei der nächsten Fahrt entdeckte ich meinen Fehler: Eine Abzweigung übersehen. Es war eine schmale Straße ohne Hinweisschild. Mit Navi wäre das nicht passiert. . Nun gut, so schlimm war es nicht. Schließlich führen viele Wege zu Hessenstraße in Bayreuth.

Viel wichtiger ist es, dass wir uns auf unserem Lebensweg nicht verfahren. Das gilt auch für unseren Lebensweg als Christ. Auch da können wir Abzweigungen verpassen und in eine falsche Richtung weiterfahren. Darum geht es auch Paulus in unserem Predigttext. Er schreibt an die Christen in Galatien. Das ist eine Landschaft in der heutigen Türkei. Diese hatten einen guten Anfang genommen. Sie hatten erkannt: Sie sind Sünder und können durch ihre Taten nicht vor Gott bestehen. Dies geschieht allein durch den Glauben an Jesus Christus. Diese Botschaft des Paulus glaubten sie und lebten auch danach. Aber nicht lange. Es traten Missionare auf, die ihnen etwas Anderes als Paulus erzählten. Diese sagten: Sie müssten auch die jüdischen Gesetze beachten, sich beschneiden lassen und jüdische Feiertage einhalten. Das klang sehr fromm. Schließlich standen diese Forderungen im Alten Testament.

Aber Paulus schreibt diesen Christen in Galatien: Das ist ein falscher Weg. Wenn ihr den geht, kommt ihr nicht ans Ziel. Paulus schreibt: "Wenn wir im Geist leben, so lasst uns auch im Geist wandeln." Damit will er sagen: Bleibt auf dem Weg, den ich euch gewiesen habe. Bleibt bei Jesus und lasst euch durch nichts von ihm abbringen. Paulus weiß: Es gibt auch andere Wege: verführerische Wege, scheinbar fromme Wege, falsche Wege, Wege, die in Wirklichkeit von dem Ziel, das Gott für uns bestimmt hat, wegführen. Und noch schlimmer: Es gibt Menschen, die diese falschen Wege weisen. Diese Menschen verführen Christen und locken sie von dem Weg weg, der zum Ziel führt.

Paulus nennt diesen falschen Weg "Fleisch" im Gegensatz zum "Geist". Er redet in seinen Briefen oft vom "Fleisch". Es sind nicht die natürlichen menschlichen Triebe gemeint, nicht die Sexualität. Die Bibel und auch nicht Paulus, sind nicht leibfeindlich. Nein, "Leben im Fleisch" ist eine bestimmte Lebenseinstellung. Es ist das Vertrauen des Menschen auf seine eigene Kraft. Das Fleisch rühmt sich, schreibt Paulus an anderer Stelle, das heißt, es will selber groß dastehen. Es ist verliebt in seine eigene Größe. Wenn das Fleisch einen Menschen regiert, dann lebt er ohne und gegen Gott. Das heißt, es ist Sünde. Denn Sünde heißt ja, ohne Gott zu leben, nur im Vertrauen auf sich selbst, auf seine eigene Kraft. Da gibt es die gottlose Spielart: man lebt so, wie man es selbst für richtig hält, lässt sich von niemandem, erst recht nicht von Gott etwas vorschreiben. Aber es gibt auch die fromme Version: Das ist dann der Fall, wenn ein Mensch meint, mit seinen eigenen Leistungen vor Gott bestehen und glänzen zu können.

So fromm es auch aussieht: Für Paulus ist klar: Das ist der falsche Weg. In dreierlei Hinsicht zeigt er den Christen in Galatien und auch uns den richtigen Weg.

Zuerst im Blick auf uns selbst. Paulus mahnt die Galater zuerst: "Lasst uns nicht nach eitler Ehre trachten." Was gemeint ist, kennen wir alle: Gut dastehen wollen, glänzen wollen, gelobt und geehrt werden wollen. Sicher, es tut uns gut, wenn wir gelobt werden. Wer will schon gerne verachtet und kritisiert werden. Wenn wir gelobt und geachtet werden, dann können wir natürlich dafür dankbar sein. Aber das Streben danach, gut dazustehen, das Glänzen wollen, das "fishing for compliments", wie der Engländer sich ausdrückt, das ist nicht in Ordnung. Das ist "Fleisch". Wir mögen vielleicht andere Menschen blenden, mit unseren Gaben und Fähigkeiten beeindrucken. Aber Gott sieht hinter die Fassade. Er lässt sich nicht blenden. Er sieht auch hinter unsere fromme Fassade.

Es besteht ja die Gefahr, dass bei allem ehrenwerten Einsatz für Jesus und seine Gemeinde Motive mitspielen oder im Laufe der Zeit hinzukommen, die sehr eigennützig sind.

Ein Beispiel dazu: Ein Mitarbeiter einer Gemeinde dachte abends vor dem Schlafengehen über seine ehrenamtliche Tätigkeit nach, schlief dabei ein und träumte: Ein Unbekannter kam zu ihm und fragte ihn nach seinem Dienst für Jesus. Er berichtet erfreut. Da sieht er die Zahl 100 vor sich und der Fremde schlüsselt sie so auf:

Begeisterung 10 Punkte - persönlicher Ehrgeiz 23 Punkte - Aussicht auf Belohnung 19 Punkte - Stolz auf die Gemeinde 15 Punkte - Einbildung auf Fähigkeiten 14 Punkte - Freude am Angeben und Herrschen 12 Punkte - Liebe zu Gott 4 Punkte - Liebe zu den Menschen 3 Punkte.

Da wurde diesem Mitarbeiter klar: Mein Engagement geschieht zum Großteil im "Fleisch" nicht im "Geist". Er will vor anderen und auch vor Gott glänzen, gut dastehen.

Haben wir das nötig? Sicher nicht. Was verleiht denn unserem Leben Glanz? Nicht unsere Leistungen, nicht unsere Anstrengungen sondern allein der Glaube an das Evangelium. Was macht unser Leben wertvoll? Allein Gott, der unserem Leben Wert verleiht. Wir sind für ihn so wertvoll, dass er sogar seinen Sohn für uns hat sterben lassen. So lieb hat er uns. Er will nicht, dass wir verloren gehen. Lieber nimmt er selbst die Strafe für unsere Sünde auf sich, als dass wir bestraft werden.

Von dieser Liebe ist niemand ausgeschlossen. Sie beschränkt sich nicht auf die Sympathischen und Braven sondern sie meint auch die Unsympathischen und gar nicht so Anständigen. Ebenso wenig wie wir die Liebe Gottes für selbstverständlich nehmen können, brauchen wir uns ängstlich zu fragen: „Meint diese Liebe auch mich?“ Sie meint jeden unter uns. In seinem Evangelium schreibt Johannes: „Also hat Gott die Welt geliebt, - und zu dieser Welt gehören wir ja alle! - dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ Jeder darf es also glauben und festhalten, dass diese Liebe auch ihn gerettet hat und durch dieses Leben hindurchbringt, durch alle Nöte und Schwierigkeiten, Ängste und Sorgen.

Gott erwartet nur eines von uns: Dass wir trotz unseres Versagens, unserer Schuld, auch wenn sie noch so groß wären, vertrauen, glauben: Seine Liebe gilt auch mir. Jesus hat auch meine Schuld auf sich genommen und sie mir vergeben. Und er erwartet nicht von uns, dass wir nun versuchen, vor Gott und unseren Mitmenschen gut dastehen zu wollen.

Wenn wir uns immer wieder vor Augen halten: Durch das, was Jesus für mich getan hat, bin ich vor Gott unendlich wertvoll und nicht durch das, was wir tun, dann haben wir es nicht mehr nötig, uns selber ins rechte Licht zu rücken. Dann können wir darauf verzichten, dass wir uns ständig mit anderen vergleichen müssen.

Dann sagt Paulus: Der richtige Weg hat etwas mit dem Umgang mit dem anderen zu tun. Er schreibt: "Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen." Wenn ihr so handelt, so Paulus, so zeigt ihr damit, dass euer Leben Jesus gehört.

Die Last des anderen zu tragen, klingt nicht besonders attraktiv. Oft sieht man es einem Menschen an oder merkt es schnell im Gespräch, dass er Lasten trägt, sich vielleicht Sorgen macht, ängstlich ist, Probleme hat, mit sich oder mit anderen nicht klar kommt. Wenn wir das merken, ziehen wir uns gerne zurück. Probleme haben wir selber genug. Wieso sollen wir uns die des anderen auch aufladen?

Klar, manchmal ist es auch ein gesunder Selbstschutz, wenn wir uns nicht von den Lasten anderer niederdrücken lassen wollen. Wir sind nicht dazu verpflichtet, immer wieder die Probleme anderer Menschen anzuhören. Das hat auch seine Grenzen. Vor allen Dingen, wenn wir dann selber auch belastet werden. Wir haben auch Grenzen. Und wir können auch sagen: Ich kann dir jetzt nicht helfen. Aber geh doch mal zu einem Seelsorger oder zu einem Arzt oder nimm doch kompetente Beratung in Anspruch.

Aber oftmals braucht ein anderer Mensch es, dass wir einfach einmal zuhören, wenn er sein Herz ausschüttet, ihm ein gutes Wort sagen und keine Vorwürfe machen, ihm zeigen, dass wir ihn nicht verachten, dass er uns nicht lästig ist und auch für ihn beten.

Jesus hat ja auch so gehandelt und handelt so an uns. Er trägt auch unsere Lasten. Es gehört zum Wesens Jesu dazu, dass er uns trägt, vor allen Dingen dann, wenn schwere Zeiten in unserem Leben sind.

Jesus trägt. Dies erfährt jeder, der mit ihm lebt. Jesus trägt, wo wir selber keinen Weg mehr sehen. Er weiß immer einen Ausweg für uns. "Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, wo dein Fuß gehen kann." Wir brauchen ihn nur im Gebet darum bitten, dass er uns den rechten Weg zeigt.

Jesus trägt auch, wo wir selbst nicht mehr in der Lage sind, unseren Lebensweg zu gehen. Da kann er uns neue Kraft und neuen Mut geben. Wir haben ja sein Wort, das wir lesen können, und das ganz persönlich zu uns sprechen kann. Wie viel Trost und Kraft geht allein von dem 23. Psalm aus: "Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln..." oder von dem Wort des Apostels Petrus: "Alle Sorge werfet auf ihn, denn er sorgt für euch." Es ist wunderbar, welche Tragekraft das Wort Gottes gerade in schweren Situationen entfaltet.

Jesus trägt schließlich, wo wir uns selbst nicht mehr ertragen können, weil wir versagt und Schuld auf uns geladen habe. Auch dann, wenn wir unsere Schuld erkannt haben, will Gott uns nicht fallen lassen sondern uns tragen. Wir dürfen ihn um Vergebung bitten, so wie es im Vaterunser heißt: "Vergib uns unsere Schuld". Und er wird sie uns dann auch vergeben. Jesus trägt. Darauf dürfen wir uns verlassen.

Halte dir das immer wieder vor Augen: Du bist von Jesus gehalten und getragen und beschenkt. Du brauchst keine Angst zu haben, dass du selbst zu kurz kommst, wenn du dem anderen Gutes tust, wenn du Zuwendung und Kraft in ihn investierst. Bitte Gott darum, wo du Lasten des anderen mittragen kannst. Dann wird er dir es auch zeigen, wo du es tun kannst.

Schließlich weist Paulus auf ein drittes Kennzeichen eines Weges mit Jesus hin: Was ein Mensch sät, das wird er auch ernten. Es mag zwar bequemer zu sein, sich im Leben einfach treiben zu lassen, so leben, wie man es selber für richtig hält, an sich zu denken und nicht an den anderen. Aber das ist der Weg des "Fleisches", der, wie Paulus sagt, ins Verderben führt.

Der oft unbequemere ist der Weg mit Jesus. So wie er, mit seiner Liebe, aus seinem Geist und mit seiner Kraft sollen und können wir Gutes tun, an allen Menschen und vor allen Dingen denen, mit denen wir im gleichen Glauben verbunden sind. Das ist oft mühselig. Weil manchmal Freundlichkeit eben nicht mit Freundlichkeit beantwortet wird, weil wir nicht immer Dankbarkeit ernten, weil Menschen uns missverstehen oder Hilfe ablehnen. Das kann müde machen. Das weiß jeder, der zum Beispiel Kinder erziehen will oder in einem pädagogischen Beruf arbeitet. Wer Liebe geben will, kann sich auch ausgesaugt und ausgelaugt vorkommen.

Deshalb ist, das sei zum Schluss noch gesagt, dreierlei wichtig: Gönne dir auch selber ab und zu etwas Gutes. Mache Pausen, mach mal Urlaub, suche Freude in dem, was dir gefällt. Dann gönne dir auch immer wieder die Erfahrung der Liebe Jesu. Lies sein Wort, hör sein Wort, gehe zum Abendmahl. Heute wird es dir wieder angeboten. Dann kannst du selber seine Liebe für dich erfahren. Ohne sie brennst du im Tun des Guten aus. Und drittens: Halte dir immer wieder vor Augen: Was du an Gutem tust, aus der Liebe Jesu heraus, das ist nie umsonst. Was du säst, wirst du auch ernten. Du wirst mehr zurückbekommen, als was du gegeben hast. Es ist nichts umsonst, was du im Namen Jesu tust. Im Lied von Peter Strauch "Herr, wir bitten, komm und segne uns" klingt es wie eine Antwort auf unseren Predigttext: "In das Leid der Welt hast du uns gestellt, deine Liebe zu bezeugen. Lass uns Gutes tun und nicht eher ruh'n, bis wir dich im Lichte seh'n." Ist das nicht ein sinnvolles Leben, so zu handeln?

Amen