Bayreuth, den 4.11.18 Galater 5,1

Liebe Gemeinde! 

Dieses Wort aus dem Galaterbrief passt für das Reformationsfest, das wir heute nachfeiern. Um Freiheit ging es nicht nur Paulus sondern auch Martin Luther. Zwei seiner wichtigsten Schriften heißen: "Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche" und "Von der Freiheit eines Christenmenschen".

Freiheit ist das, was die Menschen zum Jubeln bringt. Vor fast 30 Jahren übertrug das Fernsehen diese Szene: Es ist der 30. September 1989 um 18 Uhr 59. Der deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher tritt auf den Balkon der deutschen Botschaft in Prag und sagt Worte, die Geschichte machten: "Wir sind heute zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise…" Der Rest geht im Jubel der Menschen unter. Wochenlang hatten sie in der tschechischen Botschaft ausgeharrt. Hatten ihre Ausreise aus der DDR in den freien Westen erzwingen wollen. Nun war es geschafft! Endlich frei! Diese Worte von Genscher bedeuteten den Anfang vom Ende der DDR. Wenige Wochen später fiel die Berliner Mauer. Die kommunistische Herrschaft ging zu Ende. Endlich frei! Endlich dorthin reisen zu können, wohin man wollte!

"Freiheit, ist die Einzige, die fehlt. Freiheit ist das Einzige, was zählt," sang einst Marius Müller-Westernhagen. Bei seinen Konzerten sangen tausende dieses Lied aus voller Kehle mit. Es gibt viele bekannte Lieder über die Freiheit. Denken wir nur an das Lied von Reinhard Mey "Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein". Doch die schönste Musik zum Thema "Freiheit", so hat es einmal jemand ausgedrückt, ist der Klang von fallenden Ketten.

Freiheit ist etwas sehr Wertvolles. Für ihre Meinungsfreiheit gehen Menschen in Diktaturen auf die Straßen und riskieren eingesperrt zu werden. Für ihre politische Freiheit starben und sterben Menschen in Kriegen.

Aber nicht alles, was sich Freiheit nennt, ist auch Freiheit. Es gibt auch billige Imitate von Freiheiten. Man kann Geld fälschen, Uhren, Bilder, Kleider, Schuhe. Und jeder, der so einer Fälschung aufgesessen ist, ist bitter enttäuscht. So gibt es auch eine falsche Freiheit. Das ist eine Freiheit, die sich von Gott unabhängig machen will, die von ihm frei sein will.

Dieses falsche Streben nach Freiheit kam schon zu Beginn der Menschheitsgeschichte in die Welt hinein. Die ersten Menschen lebten glücklich und zufrieden im Paradies. Sie waren von Gott abhängig, taten das, was er wollte. Doch gerade das bedeutete ihr Glück und ihre Freiheit. Eine böse Macht gönnte ihnen dieses Glück und Freiheit nicht. Sie flüsterte ihnen ein: "Ihr seid doch gar nicht frei. Ihr tut doch nur das, was Gott will. Tut doch mal das, was ihr selber wollt. Dann seid ihr frei!" Adam und Eva gehorchten dieser verführerischen Stimme. Und sie taten das, wozu sie Lust hatten. Sie aßen eine Frucht von einem Baum. Gott hatte dies zwar verboten. Aber das war ihnen in diesem Moment egal. Zu spät merkten sie, dass diese verführerische Stimme sie belogen hatte. Sie waren ja gar nicht frei. Sie gehorchten nun einer bösen Macht, die ihren Untergang und ihr Unglück wollte. Lüge, Egoismus, Neid, Streit, sehr schnell auch Mord kam in das Leben der Menschen hinein. Sie waren gar nicht frei. Sondern sie wurden Sklaven dieser bösen Macht, des Teufels, Sklaven des Ungehorsams Gott gegenüber, also der Sünde.

So ist das Muster der falschen Freiheit bis auf den heutigen Tag. Menschen folgen dem verführerischen aber letztlich teuflischen Ruf: "Tu, was du willst!" Das ist ein Leben nach dem Lustprinzip. Ich tue das, was mir Spaß macht. Das klingt nach Freiheit, ist aber Sklaverei. Ist das Freiheit, wenn man sich stundenlang mit dem Smartphone beschäftigt, weil man nichts verpassen will, was in der schönen neuen digitalen Welt so los ist? Ist es Freiheit, wenn einer jede freie Minute an der X-Box oder mit Computerspielen verbringt? Ist es Freiheit, wenn einer immer wieder und immer mehr Alkohol trinkt, weil es sich so gut anfühlt und er dabei sich so locker und frei fühlt? Nein, es ist Sucht.

Wir sprechen in unserer Gesellschaft schon seit Jahrzehnten von sexueller Freiheit. Gemeint ist Sex vor und neben der Ehe, mit wem und wann man will, egal, ob hetero-, homo- oder bisexuell, Hauptsache man tut es ohne Gewalt und ab einem gewissem Alter. Die Folgen sind kaputte Beziehungen, steigende Ehescheidungen, immer mehr Kinder, die ohne die Geborgenheit einer intakten Familie aufwachsen und steigender Pornokonsum. Ist das Freiheit? Nein, es ist letztlich Egoismus, dem es um die Befriedigung der eigenen Lust geht.

Es gibt keine wahre Freiheit ohne Bindung, ohne Regeln. Wenn jeder tun und lassen kann, was er will, herrscht nicht die Freiheit sondern das Chaos. Unsere Gesellschaft scheint sich immer mehr in Richtung Chaos zu entwickeln, ohne moralischen Kompass, ohne auf Gott zu hören. Sie gleicht, so schreibt der Theologe Jörg Ahlbrecht, "… einer Reisegruppe im Moor, die die Anweisungen eines ortskundigen Führers als unzulässige Bevormundung zurückweisen und darauf bestehen, dass sie die Freiheit besitzen, selbst über den Weg zu entscheiden."

Leben ohne Gott bedeutet immer ein Leben in Unfreiheit zu führen. "Wer Sünde tut, ist der Sünde Knecht", sagt Jesus. Wer sich mit ihr eingelassen hat, - und das hat jeder Mensch! - der kommt von ihr nicht mehr los. Der hat sich in ihr verfangen, wie eine Fliege in einem Spinnennetz.

Eine Geschichte aus dem Mittelalter erzählt von einem Schmied. Er hatte Kräfte wie ein Bär und konnte besonders gute Ketten schmieden, die niemand zu sprengen vermochte. Eines Tages wurde der Schmied bei einem Diebstahl überrascht und in das Gefängnis gebracht. Dort wurde er mit Ketten gefesselt. Er lachte in sich hinein, weil er daran dachte, wie leicht er mit seinen Riesenkräften die Ketten würde sprengen können. Doch er wurde bleich vor Entsetzen, als er an der Kette das Zeichen seiner Schmiede erkannte. Nun saß er in seinen eigenen Ketten gefangen, und die waren so gut gemacht, dass selbst er ihnen nicht entkommen konnte.

In den eigenen Ketten gefangen! – Es braucht einer nicht Kettenschmied zu sein und nicht im Mittelalter gelebt zu haben, um an sich selber zu erkennen, wie stark und fest solche Fesseln halten. Jeder von uns wird wohl am eigenen Leibe erfahren haben, wie Triebe und Charaktereigenschaften nicht durch unsere eigene Kraft, durch Vorsätze, unsere Willensanstrengungen bezwungen werden können.

Aber wir können von den Ketten der Sünde frei werden, jeder. Paulus sagt sogar: Wir sind frei. "Zur Freiheit hat euch Christus befreit." Er hat befreit, nicht: Er wird befreien. Was wir nicht können, hat er getan. Am Kreuz auf Golgatha ist es geschehen. Dort hat er sein Leben geopfert, damit wir von den Ketten der Sünde frei werden. Viele Menschen verstehen nicht, warum ein anderer Mensch sterben musste, damit sie von der Macht der Sünde los sein können. Dabei gibt es das ja bis auf den heutigen Tag: Menschen opfern für andere ihr Leben, damit diese nicht sterben müssen.

Ich denke an Pater Maximilian Kolbe. Er war Häftling in dem Konzentrationslager Auschwitz. Häftlinge schafften es, aus diesem Vernichtungslager der Nazis zu fliehen. Die Rache des Lagerkommandanten lautete: Jeder Zehnte aus dem Lagerblock der Geflohenen sollte in den Hungerturm und dort langsam sterben. Es traf auch einen Familienvater von vielen Kindern. Da trat Kolbe vor und bat, für diesen Mann sterben zu dürfen. Der überraschte Kommandant gab sein Einverständnis. Und so ging Kolbe für diesen Familienvater in den Hungerturm und später in den Tod.

So hat auch Jesus für uns sein Leben geopfert, damit wir von der Sünde befreit werden. Was kein anderer tun konnte, tat er. Wie ein Vater für seinen Sohn eintritt, wenn er gescheitert ist, so tritt er für uns ein. Er stirbt, damit wir leben können. Da werden alle harmlosen Vorstellungen von einem "lieben Gott" zerstört. Gott nimmt uns ernst, auch mit unserer Sünde. Er drückt nicht einfach alle beiden Augen zu, als wäre nichts geschehen. Sondern Schuld muss gesühnt werden.

Doch weil Gott nicht will, dass wir die Strafe tragen, die wir verdient hätten, lässt er seinen Sohn sterben - aus Liebe zu uns. Seine Liebe war nicht billig, sondern kostete den höchsten Preis, Gottes eigenen Sohn. So lieb hat er uns, auch dich und mich. Und du brauchst nichts anderes tun, als diese Freiheit in Anspruch zu nehmen. So wie ein Gefangener, dessen Haftstrafe abgelaufen ist, nicht anderes tun muss, als seine Gefängniszelle zu verlassen. Er ist ja ein freier Mann!

Du bist frei! Das gilt für die Last der Sünde, die dich niederdrückt und dir ein schlechtes Gewissen macht. Diese Last hat Jesus am Kreuz für dich getragen! Du bist von ihr frei. Diese Freiheit ist schon geschehen. Du musst nichts mehr dazu tun und kannst es auch nicht. Du brauchst nur die Vergebung, die für dich bereit liegt, im Glauben nehmen. Mehr nicht!

Im Leben eines jeden Menschen gibt es ungute Mächte, Süchte, Angewohnheiten, Charaktereigenschaften, von denen er nicht los kommt. Ja, es stimmt, du kommst aus eigener Kraft nicht davon los. Aber Jesus hat dich davon frei gemacht. Das gilt für die Macht der Sorge, der Angst, des Jähzorns, de Eifersucht, der Ungeduld. Dies gilt sogar für Süchte, die einen Menschen im Griff haben und ihn nicht mehr loslassen wollen.

Ich denke an ein 20jähriges Mädchen. Es hungerte sich von 55 auf 47 Kilo herunter. Doch das war ihr immer noch zu viel Körpergewicht. Sie nahm immer weiter ab. Eine innere Stimme befahl ihr, was sie zu tun und zu lassen hatte. Diese Stimme war streng: „Du bist es nicht wert, etwas Gutes zu essen.“ Die Jahre ihrer Magersucht waren die Hölle.

Sie gelangte zu einem absoluten Tiefpunkt. Ihr Leben hing nur noch an einem seidenen Faden. Oft sank ihre Körpertemperatur auf 34 Grad, obwohl sie ununterbrochen 3 Strumpfhosen, 2 Jeans, 3 Pullis und manchmal eine Winterjacke trug. Einmal war sie halb erfroren, unfähig sich zu bewegen und zu reden und wartete nur noch auf das Einschlafen ohne Aufwachen. In diesem Zustand fand ein Freund sie auf dem Fußboden und rettete ihr Leben.

Das war für ihre Sucht der Wendepunkt. Sie betete: „Jesus schenke mir deine Liebe, damit ich wieder leben kann. Durchfließe meinen Körper mit deiner Wärme, damit ich mich wieder bewegen kann.“ Sie ließ sich wieder aufpäppeln und nahm wieder 14 Kilo zu.

Später schreibt sie: „ Auf einmal konnte ich fühlen, wie sehr mich Jesus liebt. Wie sehr es ihn schmerzt, mich leiden zu sehen. Ich durfte erfahren, wie meine Schmerzen von Jesus geheilt wurden. Er hat mich von massiven Zwängen befreit. Der Herr hat mir neue Lebensfreude geschenkt. Er hat für mich gesorgt, als ich mich aufgegeben hatte. Er war immer da, auch wenn ich ihn nicht fühlen konnte. ... Ich kann die unendlich große Liebe von Jesus zu mir fast nicht fassen. Unser Vater ist so barmherzig und vergibt uns unsere Schuld."

So kam dieses Mädchen aus ihren Zwängen heraus. Und du kannst auch rauskommen. Jesus holt dich raus, wenn du willst. Er ist stärker als alles, was dich unterkriegen will. Das glaube. Auch wenn du nichts von der Freiheit in deinem Leben siehst. Glaube weiter, glaube: Ich bin frei. Und wenn es Monate, Jahre oder Jahrzehnte dauert. Du bist frei. Die Macht der Sünde ist auch in deinem Leben gebrochen. Stück für Stück wirst du diese Freiheit in deinem Leben erfahren.

Übrigens, das sei zum Schluss noch gesagt: Du bist durch Jesus auch frei von der Bequemlichkeit und falschen Ausreden. Wenn dich jemand zum Beispiel um Hilfe bittet, da hilf ihm, wenn es dir möglich ist. Du kannst es. Jesus gibt dir dazu die Kraft. Oder wenn dich jemand um einen Dienst für Jesus bittet, wenn du dich für ihn in seiner Gemeinde einsetzen sollst, im Gebet, in einem Chor, als Mitarbeiter in einem Projekt oder im Kindergottesdienst, dann lehn nicht gleich ab, weil du denkst: Ich hab keine Zeit. Du hast mehr Zeit, als du denkst. Und Gott kann dir auch Zeit wieder geben, die du für ihn verbraucht hast.

Ich meine jetzt nicht die, die sowieso immer im Einsatz sind für andere und für Jesus. Die dürfen sich auch einmal ausruhen und können das auch tun. Jesus hat sie auch befreit - von aller Hektik, von allem Aktivismus und aller Betriebsamkeit. "Ruhet ein wenig", hat Jesus auch einmal zu seinen Jüngern gesagt.

Zur Freiheit hat uns Christus befreit, zur Freiheit zum Lieben, zum Dienst, zum Tun aber auch zum Ruhen.

Amen